buecher

vor dem Tod gestorben

In der Birkenschachtel bewahrte Mr.Tod seine beiden kostbarsten Schätze auf: eine Handschrift des Zenmeisters Sen Sotan mit dem Vers:"Ursprünglich besitzt der Mensch nichts" sowie eine Rolle mit einer Landschaftszeichnung von Mi Fei selbst, dem Maler wolkenähnlicher Berge und bergähnlicher Wolken, einem Trinker, der verrückt nach Steinen war, einem Kenner von Tintensteinen, der domestizierte Tiere haßte und bei seinen Streifzügen durch die Berge immer seine unschätzbare Kunstsammlung bei sich hatte.
Die Zimmerwände waren leer bis auf eine gerahmte türkische Kalligraphie auf einem vergoldeten Blattskelett mit einer Zeile von Rumi (Mesnewi VI, 723): "Ein toter Mann sein, der geht, einer, der vor seinem Tod gestorben ist."


(Bruce Chatwin, Der Traum des Ruhelosen)

möglichkeit macht traurig

houellebecqs neues buch macht mich regelrecht traurig beim lesen. seine beschreibung, wie die menschen ihre zukunft in die hand nehmen und unsterblichkeit gewonnen haben, worauf sie dabei verzichten, kann in gewisser weise als ein "70 years after" zu brave new world gesehen werden - ohne jetzt houellebecq mit huxley zu vergleichen; man ist einige schritte weiter heute.
gewinnbringend ist nicht die melancholie oder das grausen, sondern die gedanken, die bei der lektüre induziert werden und sich weiterwinden, bis in die gegenden der eigenen, unartikulierten, aber amorph empfundenen ängste, zukunftsvisionen, und eben - beobachtungen unserer heutigen realen welt.

maramba

im sommer 2003 einen absurden tod auf dem weg zur burgruine ems gestorben, wird jetzt ein band mit prosa der damals 21jährigen tochter monika helfers und michael köhlmeiers im zsolnay-verlag veröffentlicht. paula köhlmeier, "maramba".
text via standard: "sie findet ihre schlüssel nicht"
via Ö1.

lesen

als aufregendes erlebnis, das einen maximal ein bis zwei seiten lesen läßt, um einen dann durchs zimmer zu treiben, auf und ab, bis wieder mehr innere ruhe eingetreten ist und eine neue ordnung sich etabliert. ein absolut notwendiges buch! Ehrenberg rekonstruiert die Medizin- und Sozialgeschichte, indem er sowohl französische Fachzeitschriften der Psychiatrie und Psychoanalyse von den 1930er Jahren an als auch Massenmedien seit 1950 daraufhin befragt, welche Geschichte die Depression und das Individuum im 20. Jahrhundert erlebt haben. Nicht die Frage nach der wirksamsten Therapie ist sein Gegenstand, sondern das Ringen um die Beschreibung des Elends. Dieser ausgezeichneten Studie geht es um die Natur des modernen Menschen zwischen Körper und Geist, zwischen Biochemie und Bewusstsein, Biografie und Subjekthaftigkeit. Doch je länger man liest, desto sicherer ist man, dass die Medizin auf gesellschaftspolitische Umbrüche keine Antworten gibt. Selbst wenn sie es tut.
Alain Ehrenberg: Das erschöpfte Selbst
Depression und Gesellschaft in der Gegenwart; a.us dem Französischen von Manuela und Martin Lenzen; Campus Verlag, 2004; 305 S

was sich abspielt (feb. 1995)

(...) Was die aktuellen Tendenzen der globalen Politik betrifft, kann man von drei großen Konfliktlinien sprechen.
Einmal die Frontlinie nationalistischer Konfrontationen, die überall ein starkes, aktive, emotionsgeladenes Element darstellen. Die zweite Frontlinie bilden rassische Konfrontationen unterschiedlichster Formen. Drittens gibt es die religiösen Fundamentalismen. Um diese großen, deutlich erkennbaren Ideologien konzentrieren sich die Spannungen unserer heutigen Welt.
Und dies alles geschieht in einer Atmosphäre allgemeiner Destabilisierung, vertieft durch mindestens drei Elemente:
erstens - die um sich greifende Korruption des politischen Lebens; sie paralysiert und raubt der politischen Klasse jedes für ein erfolgreiches Regieren nötige Ansehen;
zweitens - Drogenbusiness: Produktion, Schmuggel, Handel usw. Begriffe wie Drogenkrieg, Drogendiktatur, Drogengang finden wir heute jeden Tag in den Zeitungen. Das alles weist darauf hin, wie eng die Welt des Rauschgifts verknüpft ist mit der Gewalt, wie sie diese steigert und verbreitet.
Von großer Bedeutung ist auch die Waffenkriminalität: Waffenproduktion und -handel entgleiten der Kontrolle der Gesellschaften. Es kommt zu einer Privatisierung der Rüstung. In manchen Gebieten der ehem. Sowjetunion zum Beispiel gibt es militärische Einheiten, die zu privaten Armeen geworden sind, geführt von Generälen, die die Befehle des Generalstabes ignorieren. Diese Armeen halten Verbindung zum militärisch-industriellen Komplex und betreiben Waffenhandel auf eigene Rechnung, unkontrolliert vom Staat. Dabei geht es nicht nur um trditionelle Waffen, sondern auch - und das ist besonders gefährlich - um den Handel mit spaltbarem Material.


es ist nicht nur illegal, so lange texte öffentlich ohne rechte zu zitieren, sondern auch einfach unmöglich, ich müsste einige seiten am stück abtippen.
die publikation "Die Welt im Notizbuch" von Ryszard Kapuscinski, an anderer stelle schon darauf hingewiesen, ist eine unerschöpfliche quelle hochaktueller analysen und zusammenhänge unserer irren welt, in der wir heute leben.
ich kann es euch allen nur wärmstens empfehlen, denn durch das verstehen der zusammenhänge, durch das vermittelte wissen und die erfahrungen eines außergewöhnlichen journalisten und publizisten (schriftstellers) wie kapuscinski einer ist, wird einem mehr und mehr klar, daß wir meist dinge und informationen für die wirklichkeit halten, die reine "mediale" wirklichkeit sind, nicht aber die geschichte. und die geschichte selbst wird zur medialen wirklichkeit. was wahr ist und was nicht interessiert so schlußendlich niemanden mehr; und so kann man dann den standpunkt, erst gar nicht mehr wählen zu gehen, mehr und mehr als logische reaktion verstehen, die dem einzelnen als einzige noch einnehmbare redliche haltung erscheint.
auch das bewußtsein, wie sehr alle geschehnisse auf der erde mittlerweile verknüpft und vernetzt sind, erlebt wahre (wieder)geburtsstunden ...
das alles haben wir bitter nötig um den immer schwieriger werdenden akt zu bestehen: klar zu sehen, was sich abspielt.
hier bei und, wie auf der ganzen welt.

blogs und literatur: rainald goetz

Er veröffentlichte Einkaufszettel, literarische Traktate, Tagesberichte, Korrespondenzen, Gedanken, Inventarien - eben all das, was am Schluß einer literarischen Tätigkeit vom Endprodukt abfällt. Insofern meint „Abfall“ das Nicht-Literarische, das Un-Gekünstelte, das zwar für das Werk Zweitrangige, für den Künstler, den Schöpfer, jedoch Maßgebliche. Sein Internettagebuch ist aber weit mehr als bloß ein Sozialarchiv, eine Materialsammlung oder ein exhibitionistisches, mitteilungsfreudiges Stückwerk, und trotzdem um einiges verstörender als etwa George Perecs „Versuch einer Bestandsaufnahme aller flüssigen und festen Nahrhungsmittel, die ich im Verlauf des Jahres 1974 hinuntergschlungen habe“. Denn im Zentrum der Lebensabschrift steht immer der Künstler, der Autor, das authentische Ich.
was goetz betrifft, findet sich hier eine möglichkeit seine bücher zu "verstehen".
gefunden via kinomu

Nach eigenem Bekunden besteht Goetz zu 90 Prozent aus Haß und kann nicht trennen zwischen Literatur und Leben. In jeder Situation führt Goetz Protokoll, kein Freund oder Bekannter weiß, was er demnächst wieder über sie schreiben wird. Goetz: „Mein Lebensideal ist so völlig klar, und zwar wirklich ewig schon, und es ist megasimpel: alles für den Text, aus der richtigen Verbindung von Leben und Arbeit heraus. Wie ich sie zum Beispiel von den besten Nachtleben-Aktivisten her kenne.“

jetzt frage ich mich, ob dieses enorme ausmaß an haß etwas mit dem fehlen der fähigkeit, literatur und leben auseinanderzuhalten, zu tun hat.

ad thomas bernhard

eine interessante reflexion herrn pfabigans zu thema bernhard-biographien habe ich auf der österreichischen literaturhaus-site gefunden. den interessierten darf sie nicht vorenthalten sein.
(Gitta Honegger: "Thomas Bernhard. The Making of an Austrian." New Haven and London: Yale University Press 2001)

norman mailer

sein neues buch heiliger krieg: amerikas kreuzzug ist jetzt ins deutsche übersetzt worden und liegt auch schon in den buchhandlungen. dafür werd ich erst in einigen wochen zeit haben, denk ich ... (bzw: "bauche" ich .. hehe)

Arundhati Roy: War Talk

auf 3sat.de/kulturzeit:

138

Kämpferisch gibt sich Roy in ihrem gerade neu erschienenen Buch "War Talk", "Kriegsgespräch". In dieser Essay-Sammlung geißelt sie erneut die Arroganz der Macht: klar, logisch, unerbittlich. Eine Gefahr sieht sie in Menschen, die die Welt aufteilen in Religionen und Kulturen: "Es geht nicht um Christen, Muslime, Hindu, Amerikaner. Die Leute, die den Krieg vorantreiben, wollen, dass wir in solchen Kategorien denken. Und wir dürfen ihnen nicht in die Falle gehen."

Die Schriftstellerin unterscheidet sehr wohl zwischen Regierung und Bevölkerung der USA. Sie weiß, dass ihr wichtigsten Verbündeten die engagierten Amerikaner sind - und begreift ihren jetzigen Besuch auch als Werbetour für den gemeinsamen Widerstand: "Die Zeit des symbolischen Widerstands ist nun vorbei. Wir machen Protestmärsche. Jetzt müssen wir die Gegner empfindlicher treffen. Wir müssen eine Liste mit allen Unternehmen aufstellen, die am Wiederaufbau im Irak verdienen. Die müssen wir bloßstellen. Wir müssen was dagegen unternehmen, dass reiche Staaten armen Staaten Sanktionen auferlegen können. Wir müssen Unternehmen klar machen, dass ihre globalen Expansionspläne keinen Erfolg haben, wenn wir bei ihnen nichts kaufen."

Seit Jahren ist sie rund um den Globus im Einsatz für die gerechten Sache. Der Kampf für die Machtlosen dieser Welt fordert seinen künstlerischen Tribut: Für einen zweiten Roman hat die Autorin immer noch keine Zeit gefunden. Doch das kann sich ändern. "Ich möchte nicht immer im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Ich bin eine Schriftstellerin und muss auch mal unsicher und unverbindlich sein dürfen", sagt Arundhati Roy. "Manchmal muss ich im Dunkeln tappen dürfen. Aber man kann sich nicht immer aussuchen, wie man sein Leben lebt."

"War Talk" von Arundhati Roy
South End Press, 2003
ISBN 0896087247
€ 11,00
sowie diese

buchtipp: stollbergs inferno

stollbergs inferno, ein interessanter roman von m.s.salomon. philosophischer "thriller", ein sehr europäisches buch.. :-)
unterhaltsam, keine "hohe literatur"
glossar zum buch
Literatur-Tipp:
M.S. Salomon - Stollbergs Inferno
Der Atheist und Religionskritiker Jan Stollberg stirbt und findet sich zu seiner maßlosen Überraschung in der katholischen Vorhölle wieder, wo er zusammen mit anderen kritischen Geistern von geläuterten NS-Schergen bewacht und gequält wird. Der unmittelbar bevorstehende Abtransport Ludwig Feuerbachs zur "Himmlischen Rampe" wird für eine Gruppe Gepeinigter zum Anlaß, die höllischen Zustände nicht länger widerstandslos zu akzeptieren - sie planen den Sturz und den Tod Gottes...

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