worte

morgens

sommer, der in die zweite runde geht. zwilling schon
jetzt wird alles leichter. aber auch: die jugend ist vorbei,
ahnunglosigkeit und freiheit haben ein ende
der blick ist klar und geschärft, man kennt die feinde.
spann den bogen, schließe die augen - finde dein ziel!

Mangel und Vollkokmmenheit

Was immer wieder neu geleistet werden muß: sich mit der Unmöglichkeit der Vollkommenheit abzufinden; oder besser: sich mit der Unvollkommenheit, der Mangelhaftigkeit, anzufreunden.
Denn sonst bleibt man für immer untätig, gefangen in der Impotenz des Perfektionszwanges, "von des Gedankens Blässe angekränkelt".
Merkwürdigerweise beginnt das Schöne dort, wo man die "Vollkommenheit" des Mangelhaften erkennt; wo man zu sehen beginnt, daß das Unfertige vom Rezipienten vollendet wird und genau darin die Vollkommenheit liegt; oder liegen kann. Wäre nicht alles unvollkommen, könnten wir es nicht vollenden. Und könnten wir es nicht vollenden, wären wir für immer unglücklich.

wiener weisheiten

gestern gesehen (yppenplatz, brunnenmarkt):

schwab

an der donau

lands-endhier am unteren ende der donauinsel kann man die wieder vereinte donau sehen, sie strebt nach orth, hainburg, bratislava. drüben heben die monströsen passagierflugzeuge von schwecht ab, hinter meiner linken schulter weiß ich die zylinder des ölhafens.
es ist still, die anderen radfahrer, die auch hier sind, unterhalten sich leise und friedlich, seltene eintracht: man will ruhe hier.

auf einer schotterinsel an der donau. ein twin city liner zieht vorbei, seine bugwelle verursacht einen minitsunami an den ufern; angler und spaziergänger treten vorsichtig einige schritte zurück. die insel scheint nur bei höhrem wasserstand überflutet zu werden, es wächst eine art macchia hier, die ein steppengefühl induziert. d. würde den geruch des wassers lieben, nach algen und etwas faulig.
kies
am wasser zu sitzen ist immer gut. heilsam. die geräusche des wassers und die des windes. das leise plätschern und schlagen, die reinigende brise.

die steine hier mit ihren geschichten könnten mich stundenlang unterhalten.

auf der andern seite sehe ich den alberner hafen mit dem friedhof der namenlosen. etwa hundert meter zu meiner linken angelt ein vater mit frau und kind, die beiden sitzen still und sehn aufs wasser, das kind rumort weiter hinten zwischen den pflanzen und steinen. rechts von mit, etwa zweihundert meter, tummelt sich eine familie mit ihrem hund. ich würde auf eine retriever tippen, aber sie sind doch zu weit weg um es genau zu sehen. der hund geht immer wieder einige meter ins wasser, um sich dann beifallheischend nach seinen leuten umzusehen und wieder herauszuspringen. er springt freudig um seine menschen (und die menschen freudig um ihn) und erforscht neugierig die umgebung. die sind glücklich, ja.

weiter hinter den fischern überquert die barbara-brücke die donau, sie trägt eine pipeline, die vom ölhafen wahrscheinlich nach schwechat zur raffinerie führt. ich bin unter ihr durchgefahren, jeder hat dort zutritt. leichtsinnig von denen, denk ich mir, eine kleine sprengladung und das wars mit der pipeline. offenbar denken die nicht so, immerhin sind normalerweise jegliche zutritte zu pipeline-auslässen in der ganzen lobau gesperrt.
an den ufern der donau wachsen auf dieser höhe viele hütten aus dem boden; garten- oder eher grillhütten. die sehnsucht nach gartenidylle der wiener kennt keine grenzen, auch hier nicht, am rand oder schon ausserhalb von wien.
ich sammle ein paar steine, sie liegen warm in meinen händen. dann mach ich mich wieder auf den weg.

begreifen und formulieren

Erst, wenn etwas formulierbar ist, ist es begriffen worden.
diese satz titanias beschäftigt mich im hinterkopf weiter. hat man wirklich begriffen, wenn man formuliert/fromulieren kann? besteht meine wortlosigkeit seit langer zeit nicht auch sehr in der erkenntnis, daß es eben n i c h t so ist: aussprechen/formulieren mag eine annäherung sein. eine theorie kann formuliert werden. es stellt sich aber früher oder später heraus, daß die wahrheit doch komplexer und a n d e r s ist, als das formulierte. das führt zum schweigen; welches aber "ungesund" ist, weil es zur melancholie/depression führen kann:
man muss sprechen, muss den mut zum irrtum - zum metamorphosierenden irrtum - haben, muss sich als irrender zeigen, als narr, als sucher, als in einem prozeß befindlich --

wasserweg

mein weg zum wasser ist heute noch mehr als sonst ein meditationsweg.

4

zwar nicht im absoluten sinn: meditation als ein schweigen des geschwätzigen gehirns, sondern in der poetischen annäherung an das ideal: durch die schönheit des lichtes und der natürlichen lebenden umgebung führt man einen warmstart nach dem anderen durch, und entspannung und glücklichsein sind die folge.
die sonne mit ihrem licht wirkt wie eine universaldroge, sie ist eine universaldroge mit heilungs- und ekstasefaktor, ohne nebenwirkungen allerdings. und ohne suchtpotential; aber lebensnotwendig - wie wasser und schlaf. und liebe.

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die helden der gier

Sloterdijk: Die kapitalistische Psyche wird nicht über den Stolz, sondern über die Gier geregelt. In der Eros-Thymos-Polarität der westlichen Kultur ist heute eindeutig der Eros stärker akzentuiert. Das geht so weit, dass dieser selbst heroische und exzessive Züge annehmen kann: Eros bedeutet Gier, und wenn Gier heroisch ist, will sie Milliardäre erzeugen. Selbst der Stoffwechsel kann dann zur Performance werden - die Helden der Gier möchten sich durch alle Kuchenberge der Welt hindurchfressen und sich auf allen Matratzen verausgaben.
via der standard

mond und maestro

es tut gut, in der dämmerung mit dem rad zu fahren, einem riesigen mond entgegen, groß wie nur selten im jahr. man spürt mehr als man sieht, daß er noch nicht ganz voll ist, aber durch einen linseneffekt der atmosphäre erscheint er gut doppel so groß als sonst. erst habe ich diesen großen mond im rücken (ich spüre seine strahlung), auf dem weg zum supermarkt, später dann fahre ich ihn ihn hinein.
vor einer woche hatte ich in der sekunde den zifferncode meiner maestrokarte vergessen - ich wusste ihn auch vorher nicht, wenn mich jemand aufgefordert hätte ihn aufzuschreiben, hätte ich das nicht fertiggebracht. vor dem tastenfeld des geldausgabegerätes oder bei der kassa im supermercato tippte meine hand dennoch immer die richtigen ziffern in der richtigen reihenfolge, durch jahre hindurch. am freitag, also vor einer woche, war dieses stille unbewußte wissen plötzlich weg, und ich tippte dreimal den falschen code ein; die vierte und letzte möglichkeit vergab ich dann in jenem billa, der nahe meiner wohnung liegt, als ich wieder die falsche ziffernfolge eintippte und die karte gesperrt wurde. mittlerweile wurde mir der code wieder zugestellt, jetzt werde ich ihn nicht mehr vergessen können (eine assoziation wird mich immer davor retten). vor einer woche im billa war die folge fatal und ein wenig peinlich. obwohl ich seit jahren fast jeden tag dort einkaufe, gabs kein anschreiben oder sonstwas. die kassierin zog die sachen wieder zu sich ("meins!") und schüttelte auf meine versuche, das zeug irgendwie nach hause zu bringen, nur tumb den kopf. ich hätte mehr versuchen können, den filialleiter verlagen, sicherheiten geben - aber ich drehte mich um und ging. den laden betrete ich nie wieder.
dafür fahre ich eben jetzt ein wenig mit dem rad, den großen mond erst im rücken (hinfahrt) und dann vor augen (rückfahrt); wo er dann schon kleiner geworden ist, dafür aber heller und intensiver. auf der andern seite des himmels ist die sonne gerade beim abtauchen, aus der unterwelt leuchtet sie noch einige hochliegende wolkenstreifen an, färbt sie einzigartig rotorange. ich denke an papst benedikt, der die vorhölle abschaffen möchte. die luft kühlt schnell ab, wenn die sonne fort ist, aber es ist wunderbar durch die kühle zu gleiten, und ich höre ein mozart-violinkonzert in mir drinnen, und freue mich über die schönheit, die ich überall sehen kann ...

in der bahnhofshalle in bruck/mur

mein zug hat eine halbe stunde verspätung, und so sitze ich in der bahnhofshalle auf einer bank und trinke eine flasche murauer. zu beobachten sind die typischen bahnhofsexistenzen an einem späten samstagnachmittag. zwei radler führen ein vertrauliches plauscherl mit dem einzigen schalterbeamten, offenbar kennen sie sich gut, zusätzliche komik entsteht durch das perfekte radleroutfit, das von overalls mit einem werbefake-aufdruck gekrönt ist: keine bekannte österreichische und internationale firma, deren markenlogo da fehlt. nur daß unsere radler dafür geblecht haben, so ein overall zu tragen. der feine unterschied einmal mehr: das geld. eine merkwürdiger typ in rotem muscleshirt dreht seine kreise, er betätigt jeden verfügbaren automat in der halle: lässt hier eine cola raus, dort einen kaugummi, tippt auf seinem handy rum, kauft schließlich irgendwas am kiosk, wo auch ich mein bier gekauft hatte. die frau erklärte mir, sie müsse mit pfand für die flasche verrechnen, und hatte ihr geantwortet: "tun sie's, wenn sie müssen. aber sie können mir vertrauen, ich bin hier in dieser halle, trinke das bier, und wenn die flasche leer ist, bring ich sie ihnen zurück." sie lächelte gequält und entschied sich fürs vertrauen. der merkwürdige typ verkrümelt sich aufs WC; gut so. ein paar jugoslawen (eher kroaten) sitzen neben mir auf den bänken und tun gar nicht. ein junger mann in ausnehmend häßlichen t-shirt - bunter druck, unharmonische farben, unharmonische formen - telefoniert laut schreiend mit seiner frau oder mutter; es geht um die verspätung des zuges nach wien süd, er versucht den sachverhalt zu erklären, wird offenbar unterbrochen, schreit dann nur noch "zu spät!" und "halb neun", womit er die wahrscheinliche ankunftszeit in wien meint. eine gruppe eisenbahnfahrwillige kommt jetzt rein, es scheint demnächst ein regionalzug zu halten den sie wohl nehmen wollen. alle drängen sich jetzt am schalter und reden gleichzeitig. keiner benutzt den ticketautomaten, den ich selbst vor einer viertelstunde benutzt hatte. ein mädchen mit rucksack lässt sich doch eine fahrkarte beim automaten raus, andere tun es ihr gleich. mittlerweile ist die halle richtig belebt. zwei ältere leute mit einer mongoliden jungen frau (ihre tochter?) studieren den anzeigemonitor für die zugabfahrten. die behinderte tochter schreit regelmässig "buh!" oder "muh!", so genau kann ich das nicht verstehen.
das einzige schöne an diesem bahnhof ist die bahnhofhallensuhr. es ist eine alte analoguhr, wie sie früher wohl auf allen österreichischen bahnhöfen zu finden war; (solche befanden sich auch auf den wiener bahnhöfen, und etwa auf dem bahnhof in feldkirch, wo ich die harten jahre bis achtzehn verbracht hatte.) das ziffernblatt, das nur aus einem kreis mit stundenstrichen besteht, ist von warmem jaspisrot.
faszinierend der durchlauf von menschen in einer bahnhofshalle auf dem land: das kommen und gehen, die menschen in ihrer individualität. die vermutlichen kroaten tun dasselbe wie ich: sie sehen dem treiben zu und kommentieren hin und wieder eine person oder ein geschehen. plötzlich stehen sie auf, wie auf eine abmachung hin (es war aber nichts zu hören gewesen) und gehen zur treppe, die in die unterführung zu den bahnsteigen abtaucht. holen sie jemanden ab? richtig, kurz darauf kommen sie mit einer jungen frau, die ein kind an der hand führt wieder die stiegen herauf. niemand hat seine bekannten so herzlich begrüßt wie die kroaten.
wenn ich meine blicke geschlechtsspezifisch fokussiere, konstatiere ich eine grundlegende überlegenheit der frauen. männer erscheinen fast alle wie witzfiguren oder karikaturen; die frauen sind alle authentisch. sie kümmern sich, tragen die verantwortung wie es scheint. gerade in einer ländlichen bevölkerung wie hier in diesem steirischen städtchen. in dem ich übrigens geboren wurde. was aber nicht der grund für mein hiersein ist. der sind die berge, namentlich der hochschwab, den ich heute mit mindestens hundert anderen bergsteigern bekrabbelte.
endlich verschwinde auch ich in der unterführung, nicht ohne vorher die leere flasche der frau am kiosk zurückgegeben zu haben ...

denken

Oscar Wilde: "Denken ist wundervoll, aber noch wundervoller ist das Erlebnis."

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Das Erschreckende an der Corona-Thematik sind die Medien(!!),...
ferromonte - 5. Mär, 08:14

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