der tod klaus manns - kann man ihn überhaupt "selbstmord" nennen? ist er nicht vielmehr vom leben zerrieben worden, chancenlos? hat er nicht eigentlich
erstaunlich lange gelebt, gemessen an den faktoren, die ihn zerrieben haben, gemessen an der
unausweichlichkeit seines freitodes? er war erstaunlich mutig, erstaunlich wach; ich dachte eben kurz an den österreichischen erzherzog rudolf und sein ende in mayerling, da gibt es gewisse parallelen - ja.
was er mit vielen teilte, die ihn überlebten, war die verzweiflung darüber, daß
alles so weitergeht, nach dem zweiten weltkrieg, nach 1945, nach dem sturz der nazis in deutschland.
es ging weiter und es geht weiter: wir sehen heute, in welche richtung es gegangen ist und weitergeht und wie klarsichtig er und seinesgleichen doch waren. gewissermaßen hat er das leben vieler millionen westler vorweggenommen, vorweggelebt.
wir haben uns heute meist mit der ausweglosigkeit arrangiert, wir sehen weg oder belügen uns enthusiastisch selbst, die meisten vom uns wissen ja gar nicht, daß sie wegsehen, und sie leiden nur an den symptomen der folgen dieser welt-spaltung: depression, drogensucht, exzessives sexualleben. die ursachen verstehen sie nicht, und ihre therapie ist fragwürdig.
kunst ist fragwürdig im selben sinn: kunst ist ein bürgerlicher, vollkommen anachronistischer standpunkt, den es nur mehr als strohpuppen- oder geschäfts-identität gibt; jeglicher idealismus und utopismus (gut?) hat alle kraft verloren. jeder glauben hat seine kraft verloren. es gibt nur den geschäftsmann (geldmacher) oder den stroh-mann. und der strohmann hat das schwere los gezogen: er wartet aufs sterben, und stürzt sich täglich aufs neue in das irre spiel, alte rollen auszuprobieren, so gut wie immer ohne echo, ohne erfolg. der geschäftsmann kann geld machen, solange er sich an die regeln des marktes hält und auf dem parkett der käufer tanzt ..
klaus mann war in gewisser weise ein prototyp des entwurzelten, erdrückten, zerriebenen europäers, wie er heute in tausendschaft und völlig unbekannt sein dasein fristet. wörtlich: fristet. bis die frist abgelaufen ist, was er - möglicherweise - selbst bestimmt.