spanien
Als ich 1953 als Zwanzigjähriger zum ersten Mal nach Italien kam, glaubte ich, alles gefunden zu haben, wonach ich, unbewußt, gesucht hatte. Der mediterrane Glanz traf mich wie ein Blitz, das gesamte Leben war ein geniales, öffentliches Theater zwischen den achtlos hingestreuten Dekorationsstücken einer vieltausendjährigen großen Kultur. Farben, Speisen, Märkte, Kleidung, Gesten, Sprache, alles schien raffinierter, bunter, lebhafter als in dem flachen nördlichen Delta, aus dem ich komme, und zog mich in seinen Bann. Spanien war danach eine Enttäuschung. Unter derselben mediterranen Sonne schien die Sprache hart, die Landschaft dürr, das Leben derb. Es schien nicht zu fließen, war nicht angenehm, war auf eine widerspenstige Weise alt und unnahbar, mußte erobert werden. Heute habe ich eine ganz andere Einstellung dazu. Italien ist noch immer ein Traum, aber ich habe das Gefühl – es ist kaum möglich, über diese Dinge zu sprechen, ohne in eine fast mystische Sprechweise zu verfallen -, daß der Charakter Spaniens und die spanische Landschaft dem entsprechen, "was mich ausmacht", bewußten und unbewußten Dingen in meinem Wesen, dem, der ich bin. Spanien ist brutal, anarchistisch, egozentrisch, grausam, Spanien ist bereit, sich für einen Unsinn in den Ruin zu stürzen, es ist chaotisch, es träumt, es ist irrational. Es hat die Welt erobert und wußte damit nichts anzufangen, es steckt in seiner mittelalterlichen arabischen, jüdischen und christlichen Vergangenheit fest und liegt mit seinen eigensinnigen Städten, eingebettet in diese endlosen, leeren Landschaften, da wie ein Kontinent, der an Europa hängt und Europa nicht ist. Wer nur die Pflichtrundfahrt gemacht hat, kennt Spanien nicht. Wer nicht versucht hat, sich in der labyrinthischen Vielschichtigkeit seiner Geschichte zu verlieren, weiß nicht, welches Land er bereist. Es ist eine Liebe fürs ganze Leben, das Staunen hört nie auf. (cees nooteboom "der umweg nach santiago")
auch das führt mich wieder zur freiheitsidee, vielleicht auch zur idee der utopie, die angeblich immer scheitern muß ...
auch das führt mich wieder zur freiheitsidee, vielleicht auch zur idee der utopie, die angeblich immer scheitern muß ...
ferromonte - 6. Sep. 2005, 18:28