feueralarm der ratten

museumsquartier, platz vor der kunsthalle.
mütter brüllen quer über den ganzen platz nach ihren tobenden kindern; friedliche jugendliche sitzen auf den mintgestrichenen, zusammengebundenen sitzelementen;
gabi komm jetzt!, zum hunderttausendsten mal - könnt ihr nicht endlich das maul halten und hingehen zu euren süssen gschroppn? ich weiß, ich bin ein intolerantes arschloch, weil ich nicht einsehen will, warum ich mir hier von müttern und kindern den schädel zuplärren lassen muß; ich bin egoistisch, weil ich hier ein wenig ausruhen und lesen und nicht zeuge der ursachen von gewalt und irrsinn werden möchte. scheinbar bin ich der einzige, der mit dem lärm ein problem hat, wie so oft.
eine mutter und deren mutter, drei kinder als vorhut, vielleicht sieben oder acht jahre alt, zwei buben, ein mädchen. sie schreien wie vom affen gebissen "feueralarm, feueralarm!" pausenlos, nachhaltig, penetrant. springen dabei auf die sitzelemente, rutschen von laternenmasten, springen auf bänke, mauern, und ihre schreie stechen wie messer in meinen kopf. mutter und deren mutter führen smalltalk mit dem töchterchen, ja was habt ihr denn heute zu mittag bekommen? nudeln, meint die großmutter, sie wisse was es gegeben habe, nudeln. - palatschinken, sagt die tochter, gemüsepalatschinken. und ein eis. und aus. ausnahmsweise in normaler lautstärke, was fast anachronistisch klingt, altmodisch.
die truppe zieht direkt an mir vorbei: "feueralarm!" brüllt einer der beiden jungs, "feueralarm" echot der andere hysterisch zurück, sie brüllen sich in eine art blutrausch, die mutter merkt es nicht oder findet das normal. ich frage mich, wie die wohnen, was dort abgeht. sie springen, trampeln, schreien und brüllen. ich frage mich einen moment lang, ob die kinder vielleicht behindert sind, die beiden buben jedenfalls; verwerfe den gedanken aber sofort wieder, sie sind ja fast alle so. von rechts zieht jetzt zigarettenrauch in mein gesicht, da sitzt ein etwa dreißigjähriger in jeansmontur, laptop auf den knien. verkniffenes starren auf den schirm, gelegentlich bewegt er die endglieder der finger seiner rechten hand. feueralarm, denke ich.
die beiden jungs brüllen im umkreis von vierzig metern markerschütternd laut ihre feuerwarnungen, während ich mir vorstelle, wie die mit fünfzehn sein werden. kinder müssen laut sein können, klar, und sich bewegen können, logisch. vor allem, wenn sie von 8 bis 16h in horten oder schulen stecken, wo, wie anzunehmen ist, keine pädagogisch auch nur ansatzweise richtige betreuung geboten wird. die müssen ja durchdrehen.
ein anderes kleines mädchen läuft mit nacktem oberkörper herum, soll es ja geben: kinder, die sich permanent ihrer kleidung entledigen. eigentlich ist es ziemlich kühl heute, ich friere trotz unterhemd, hemd und sakko. ich renne und brülle aber auch nicht.
einer der feuermelder hat einen fußball organisiert, den er jetzt wie im rausch gegen die außenverkleidung des leopold-museums tritt. er ist so mittlerweile heiser, daß man ihn kaum versteht. euer-am! arme ratte. die erziehungsberechtigte, die mutter, und deren mutter, sind nirgends zu sehen. sitzen wahrscheinlich in irgendeinem schanigarten, von denen es mehr als genug gibt an den rändern des platzes.
mein date kommt. ich gehe.
arme ratten, die gesellschaft von morgen. wenn die erst wählen ...
spechtler - 22. Sep, 23:38

du bist ja wirklich ein armes würstchen

wo sollen sich kinder austoben, wenn nicht im freien??
aber sei unbesorgt: spätestens wenn du tot bist, hast du deine ruhe.

ferromonte - 25. Sep, 07:13

sie erinnern mich irgendwie an den papst, fragen sie mich nicht, warum.

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