starke worte

eines wütenden.
stephan maus (kenn ich nicht) schreibt in der "süddeutschen":
Literaturpreise, das versteht sich von selbst, sind lächerlich. Stipendien ebenso. Hätte Heinrich Heine den Förderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung entgegen genommen? Borges den Bremer Literaturpreis? Hätte Nabokov in Klagenfurt gelesen? Hätte sich Gerhart Hauptmann ins Esslinger Bahnwärterhäuschen zurückgezogen, um seinen „Thiel“ zu schreiben? Hätte sich Rimbaud für drei Monate mit zehn weiteren Dichtern in der internationalen Künstlerkolonie Schloss Wiepersdorf einquartieren lassen? Eben. Literarische Preise und Stipendien erniedrigen und verhöhnen den Autor, statt ihn zu ehren.
albannikolaiherbst - 14. Jul, 19:34

So leicht ist die Sache aber nicht.

Stipendien und Preise haben im deutschsprachigen Raum das Mäzenatentum abgelöst, ohne das auch einige der Obengenannten nicht hätten existieren können. Denken Sie an die furchtbar peinlichen Bettelbriefe, die Heinrich Heine schrieb. Das Problem ist eher das, daß Juroren zusammengenommen oft mehr verdienen als die von ihnen Ausgezeichneten, und zwar durch ihre Tätigkeit, nicht etwa wie ein Mäzen durch seine ... sagen wir vorsichtig: "Geldquellen"... und teils dieselben Personen als Juroren fungieren, die in anderer Zusammensetzung Ausgezeichnete waren und/oder sind. Also die Korruption schafft das Problem. Und selbstverständlich d i e s e s: Bei Mehrheitsentscheidungen werden selten die Spitzen künstlerischer Arbeit ausgezeichnet, sondern meist weggestimmt. Die Tiefen allerding auch. Heraus kommt dabei in aller Regel Mittelmaß, das sich eben durch die Vielzahl der vergebenen Preise und Stipendien wieder ein wenig erholen kann. Dadurch "trifft es" möglicherweise auch mal ein "Genie".
Wie schwierig diese ganze Situation zu betrachten ist, wird am Fall Arno Schmidts überaus deutlich. Ohne Jan Reemtsma wäre er heute ein so gut wie vergessener Dichter. Juries hätten ihm jedenfalls n i c h t s zugesprochen, Alfred Andersch hat sich seinerzeit für Schmidt den Mund fusslig geredet.
Wer aber umgekehrt (und in anderer als bloß polemischer Absicht) für eine Abschaffung der staatlichen und privatwirtschaftlichen Förderung plädiert, vertritt einen Literaturdarwinismus, der einen Gutteil der wichtigen Dichter der Sozialhilfe überantworten würde. Und zwar nicht, weil sie "schlecht", sondern weil sie zu gut arbeiten und für den mainstream, der Einkommen bringt, nicht verdaulich sind. Daß in dieser Förderungsschwe/ämme auch Mittelmaß durchgefüttert wird, ist, finde ich, tragbar im Vergleich zu den furchtbaren Folgen, die eine Abschaffung hätte. Man kann ja dagegen polemisieren.

P.S.: Ein Problem der privatwirtschaftlichen Förderung von Autoren besteht übrigens darin, daß genau dieselben Juroren, die auch über staatliche Vergaben entscheiden, dazu eingeladen werden. Sie müssen sich nur einmal anschauen, wer immer wieder in den Juries sitzt. Die Namen lassen sich an zwei Händen abzählen. Da hinein spielen dann auch Ressentiments. Wenn Peter Hamm Vorsitzender des Büchner-Preis-Komitees ist, wird es ein paar Namen geben,die niemals auch nur in die Auswahl kommen. (Ich selbst hab mich übrigens - unter anderem - dadurch unbeliebt gemacht, daß ich während der späten 80er in meinen DSCHUNGELBLÄTTERn Namen und Juries veröffentlicht und diesen Vollzug attackiert habe, an dem sich bis heute absolut nichts geändert hat. Es ist sogar insofern schlimmer geworden, als sich Juroren - etwa Sigrid Löfffler - unterdessen zur Unterhaltungsliteraturen und Kinderbüchern bekennen, deren "Einspielergebnisse" auch ohne Mäzene ziemlich prima dastehn. In einer Diskussion, bei der ich anwesend war, nannte Thomas Steinfeld Stephen King sogar einen besseren Schriftsteller als Thomas Pynchon.)

ferromonte - 14. Jul, 19:58

in österreich ist die situation dieselbe, nur im kleinformat. (insofern ist eine veranstaltung wie das wettlesen in klagenfurt eine ohrfeige für die österreichischen autoren.)
danke für ihren ausführlichen und genauen, todrichtigen beitrag!
- wie ich mich ärgere, wenn ich diese immer häufiger zu hörenden bekenntnisse von quatschköpfen zu bestsellerautoren a la stephen king vernehmen muß.
albannikolaiherbst - 14. Jul, 20:12

W ä r e n es nur welche!

Das Schlimme ist, daß sie es n i ch t sind, jedenfalls nicht alle. Für Iris Radisch, die mich nicht mag, lege ich in Sachen Bildung, Intelligenz und Kultur meine Hand ins Feuer. Aber das hilft (ihr) nichts. So wenig wie den anderen. Es gibt so etwas wie ein dynamisch sich selbst hochschaukelndes Ressentiment. Und selbstverständlich Blindheiten... was auch an der Arbeitssituation liegt, der Feuilletonisten ausgesetzt sind. Schon i c h komme gegen die Massen an Büchern nicht an, die sich bereits auf meinem Fußboden stapeln. Ich will das auch gar nicht mehr. Aber ich lebe freilich nicht davon, beurteilend zu rezensieren. Wenn i c h rezensiere, bin ich logischerweise von Anfang an ästhetisch Partei. Ein Feuilletonist sollte eben das nicht sein, aber es bleibt ihm nach vielen Lesejahren oft gar nichts anderes übrig. Es sollte nur zugegeben werden. Und er - ausgetauscht. (Um genau das zu verhindern, denn es sind ja Hypothekenraten zu zahlen, gibt es Die Korrumpel. Mit Dichtern, wenn sie sich nicht anpassen wollen, geht die weniger zimperlich um.)


P.S. (2): Schön übrigens, der springende Nietzsche!
ferromonte - 14. Jul, 20:20

ästhetisch partei - sie meinen damit, sie vertreten bewußt ihren subjektiven (ästhetischen) anspruch?
--> springender nietzsche: sie wissen wie das geht? (alttext der bilddatei in der bilderwaltung)
albannikolaiherbst - 14. Jul, 20:30

Ja.

Verträte ich etwas anderes, es bedeutete, ich hätte eine Distanz zu meiner Arbeit, die Leidenschaft ausschlösse.

Nein, ich weiß nicht, wie das geht. Aber ich möchte auch nichts stehlen. Solche Sachen sollten e i n z i g bleiben. (Von Europäer zu Europäer gesprochen.)
ferromonte - 14. Jul, 20:41

ja, der kernpunkt ist die leidenschaft. ich meine die große leidenschaft, die in eine richtung geht, in die eigene richtung. nicht die kleine windhosenleidenschaft der juroren und berufskritiker.

so einzig ist dieser kleine trick gar nicht .. aber europäer klingt gut: so intelligent und altmodisch, und doch absolut modern. dabei bin ich kein nationalist, nicht einmal patriot.
albannikolaiherbst - 15. Jul, 10:39

"Europäer" ist ein Begriff, der die Zugehörigkeit zu einem Kulturraum beschreibt.

Nationalist, gar Patriot bin ich nun Göttinseidank a u c h nicht. Ich liebe außereuropäische Kulturen, vieles auch aus der arabischen Welt, vieles aus Indien - aber ich b i n nicht Orientale, sondern Europäer. Und in den USA merkte ich: US-Amerikaner bin ich schon g a r nicht.

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