Armer Kanzler!
Was muss Schüssel in diesen drei Monaten gelitten haben, und wie wurde er verkannt! - eine Kolumne von Günter Traxler
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In diesem Land kann man seit der Wende und den politischen Pirouetten, die im Gefolge des 24. November 2002 nun zu ihrer Erneuerung gedreht wurden, so gut wie alles sagen, ohne dass es noch nennenswerte Reaktionen hervorruft. Nach den diversen Anrufungen Gottes - unberechenbar, wie er ist, hat er ja leider nicht nur George Bush die Kraft zur Abstinenz, sondern auch Wolfgang Schüssel die Gelassenheit zum Machtrausch verliehen -, fiel es schon gar nicht mehr auf, dass Jörg Haider den Heiligen Vater als "geistigen Knittelfelder" vereinnahmte und damit zu einem Spießgesellen der ungeistigen Gründungsmitglieder des Vereins der Freunde seiner Person salbte. Auch der Schleimsprech, mit dem Vertreter der Regierungsparteien der Bevölkerung weiszumachen versuchen, wie großartig nun das Abrücken von Errungenschaften sei, deren tiefe Sinnhaftigkeit sie in der vorigen Legislaturperiode gar nicht laut genug preisen konnten - Nulldefizit, Ambulanzgebühr, schlanke Regierung, um nur drei Beispiele zu nennen -, wird von den abgestumpften Opfern des schwarz-blauen Reformkurses ohne Protest konsumiert.
Erst ganz kurz im Amt, hat das steirische Genie im ÖVP-Generalsekretariat diese Kommunikationstechnik noch weiter verfeinert. Reinhold Lopatka hat es die Öffentlichkeit zu verdanken, dass endlich klar wurde, wer schuld ist am Kabinett Schüssel-Haupt. Nicht etwa Schüssel, wie naive Beobachter bisher vielleicht geglaubt haben, auch nicht Haupt, der schon gar nicht. Nein, schonungslos hat Lopatka dem wahren Schuldigen die Maske vom bärtigen Antlitz gerissen und Alexander Van der Bellen entlarvt.
Der hatte sich nach einer längeren Auszeit, vermutlich erschöpft wegen allzu leidenschaftlichen Charmierens zwecks Regierens, wieder einmal zu Wort gemeldet, seine Stimmung als "eine Mischung aus Verdruss und Überdruss" beschrieben und mit dem analytischen Durchblick einer sitzen gelassenen Braut erkannt, Schüssel habe die "unattraktivste, unspannendste und merkwürdigste" Regierungsvariante gewählt. Damit kam er bei Lopatka aber schlecht an: Schuld an dieser Regierung ist für ihn Van der Bellen ganz allein: Er hätte es ja in der Hand gehabt, eine andere Variante zu realisieren.
Wer hätte von diesem freundlichen älteren Herren angenommen, dass er nicht nur die zarten ministeriellen Blütenträume seiner Fraktionskolleginnen brutal zunichte macht, sondern auch den ÖVP-Chef, dessen ganzes Trachten ohne Hintergedanken einzig auf das Wohl des Landes und seiner Bürger gerichtet ist, eiskalt den blauen Komplicen ausliefert, die er eben erst unter größten Mühen loszuwerden bestrebt war? Und das alles nur aus ein wenig Verdruss!
Lopatka hat uns die Augen geöffnet. Was muss Schüssel in diesen drei Monaten gelitten haben, und wie wurde er verkannt! Ständig gehetzt von aufdringlichen Freiheitlichen, vom Bundespräsidenten gepeinigt, wiesen ihm zuerst die Sozialdemokraten unbarmherzig die Tür, und als er fast schon demütig bei den Grünen bittstellig wurde, mit ihm doch eine Regierung zu bilden, schleuderte ihm Van der Bellen sein Nein ins vom nächtelangen Flehen runzlig gewordene Gesicht.
Da ist Schüssel nichts anderes übrig geblieben, als den Gang ins blaue Canossa anzutreten. Das Land völlig unregiert zu lassen, brachte er einfach nicht übers Herz - Opfergang eines Kanzlers ist da keine leere Phrase. Und sollte es bald wieder zu Wahlen kommen, wird Lopatka die Strategie seiner Partei gewiss auf der Erinnerung an die wahren Übeltäter dieser Legislaturperiode aufbauen: Zugegeben, wir waren eine miserable Regierung, aber wer ist schuld? Rot und Grün - warum haben sie nicht eine andere Variante realisiert! (DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.3.2003)
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In diesem Land kann man seit der Wende und den politischen Pirouetten, die im Gefolge des 24. November 2002 nun zu ihrer Erneuerung gedreht wurden, so gut wie alles sagen, ohne dass es noch nennenswerte Reaktionen hervorruft. Nach den diversen Anrufungen Gottes - unberechenbar, wie er ist, hat er ja leider nicht nur George Bush die Kraft zur Abstinenz, sondern auch Wolfgang Schüssel die Gelassenheit zum Machtrausch verliehen -, fiel es schon gar nicht mehr auf, dass Jörg Haider den Heiligen Vater als "geistigen Knittelfelder" vereinnahmte und damit zu einem Spießgesellen der ungeistigen Gründungsmitglieder des Vereins der Freunde seiner Person salbte. Auch der Schleimsprech, mit dem Vertreter der Regierungsparteien der Bevölkerung weiszumachen versuchen, wie großartig nun das Abrücken von Errungenschaften sei, deren tiefe Sinnhaftigkeit sie in der vorigen Legislaturperiode gar nicht laut genug preisen konnten - Nulldefizit, Ambulanzgebühr, schlanke Regierung, um nur drei Beispiele zu nennen -, wird von den abgestumpften Opfern des schwarz-blauen Reformkurses ohne Protest konsumiert.
Erst ganz kurz im Amt, hat das steirische Genie im ÖVP-Generalsekretariat diese Kommunikationstechnik noch weiter verfeinert. Reinhold Lopatka hat es die Öffentlichkeit zu verdanken, dass endlich klar wurde, wer schuld ist am Kabinett Schüssel-Haupt. Nicht etwa Schüssel, wie naive Beobachter bisher vielleicht geglaubt haben, auch nicht Haupt, der schon gar nicht. Nein, schonungslos hat Lopatka dem wahren Schuldigen die Maske vom bärtigen Antlitz gerissen und Alexander Van der Bellen entlarvt.
Der hatte sich nach einer längeren Auszeit, vermutlich erschöpft wegen allzu leidenschaftlichen Charmierens zwecks Regierens, wieder einmal zu Wort gemeldet, seine Stimmung als "eine Mischung aus Verdruss und Überdruss" beschrieben und mit dem analytischen Durchblick einer sitzen gelassenen Braut erkannt, Schüssel habe die "unattraktivste, unspannendste und merkwürdigste" Regierungsvariante gewählt. Damit kam er bei Lopatka aber schlecht an: Schuld an dieser Regierung ist für ihn Van der Bellen ganz allein: Er hätte es ja in der Hand gehabt, eine andere Variante zu realisieren.
Wer hätte von diesem freundlichen älteren Herren angenommen, dass er nicht nur die zarten ministeriellen Blütenträume seiner Fraktionskolleginnen brutal zunichte macht, sondern auch den ÖVP-Chef, dessen ganzes Trachten ohne Hintergedanken einzig auf das Wohl des Landes und seiner Bürger gerichtet ist, eiskalt den blauen Komplicen ausliefert, die er eben erst unter größten Mühen loszuwerden bestrebt war? Und das alles nur aus ein wenig Verdruss!
Lopatka hat uns die Augen geöffnet. Was muss Schüssel in diesen drei Monaten gelitten haben, und wie wurde er verkannt! Ständig gehetzt von aufdringlichen Freiheitlichen, vom Bundespräsidenten gepeinigt, wiesen ihm zuerst die Sozialdemokraten unbarmherzig die Tür, und als er fast schon demütig bei den Grünen bittstellig wurde, mit ihm doch eine Regierung zu bilden, schleuderte ihm Van der Bellen sein Nein ins vom nächtelangen Flehen runzlig gewordene Gesicht.
Da ist Schüssel nichts anderes übrig geblieben, als den Gang ins blaue Canossa anzutreten. Das Land völlig unregiert zu lassen, brachte er einfach nicht übers Herz - Opfergang eines Kanzlers ist da keine leere Phrase. Und sollte es bald wieder zu Wahlen kommen, wird Lopatka die Strategie seiner Partei gewiss auf der Erinnerung an die wahren Übeltäter dieser Legislaturperiode aufbauen: Zugegeben, wir waren eine miserable Regierung, aber wer ist schuld? Rot und Grün - warum haben sie nicht eine andere Variante realisiert! (DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.3.2003)
ferromonte - 8. Mär. 2003, 10:18
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