„Syrien wird das nächste Ziel sein"

Der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark über einen Irak-Krieg, die Rolle Deutschlands und Saddams Schicksal - Interview

WELT am SONNTAG: Wie fanden Sie die Rede von US-Außenminister Powell vor dem UN-Sicherheitsrat?

Wesley Clark: Das war eine hervorragende Präsentation.

WamS: Reichen die gezeigten Satellitenfotos und die abgehörten Telefonate aus, um zu beweisen, dass Saddam Hussein die Resolution 1441 verletzt hat?

Clark: Ich bin mir sicher, dass die Regierung noch mehr weiß. Aber allein das, was Powell am Mittwoch gesagt hat, reicht für einen Militärschlag. Saddam Hussein ist den Verpflichtungen der Resolution nicht nachgekommen. Aus den aufgezeichneten Gesprächen wurde klar, dass er Massenvernichtungswaffen besitzt. Alle Mitglieder des Sicherheitsrats müssen das ernst nehmen.

WamS: Was ist nun zu tun?

Clark: Man hat Saddam vorher gesagt, dass er die Resolution nicht verletzen darf. Die Inspektoren werden nur etwas finden, wenn jemand im Irak einen Fehler bei der angeordneten Beseitigung der Massenvernichtungswaffen macht. Der Ruf nach mehr Inspektionen ist daher sinnlos. Wir müssen eine Entscheidung treffen.

WamS: ... die Deutschland und auch Frankreich blockieren ...

Clark: Für Deutschland lautet die Entscheidung, mit den anderen Ländern die Umsetzung der Resolution durchzusetzen. Es muss eine so konstruktive Rolle wie möglich spielen im Konflikt und in der Zeit danach.

WamS: Was meinen Sie mit „konstruktive Rolle“?

Clark: Es bedeutet, teilzunehmen an der Entscheidungsfindung über die Modalitäten des Konflikts und des Wiederaufbaus. Und teilzunehmen mit Truppen.

WamS: Aber Deutschland will das nicht ...

Clark: Dann bleibt Deutschland Außenseiter. Das Beharren auf hohlen Prinzipien bringt nichts. Das Prinzip, dass die Anwendung von Gewalt nur letztes Mittel ist, ist richtig. Was wir jetzt machen, ist, das letzte Mittel anzuwenden. Jetzt nicht auf die Einhaltung der Resolution zu bestehen, wäre ein großer Fehler. Das würde Saddam Hussein einen riesigen Sieg bescheren und den internationalen Terrorismus stärken.

WamS: Sollte Deutschland mehr „Fuchs“-Panzer zur Verfügung stellen ...

Clark: Natürlich.

WamS: ... und Patriot-Raketen in die Türkei liefern, wie derzeit in der NATO diskutiert?

Clark: Das müssen die Planungsstäbe des Militärs entscheiden. Aber als früherer NATO-Oberbefehlshaber möchte ich natürlich, dass Deutschland die Alliierten unterstützt.

WamS: ... und nicht gegen eine weitere Resolution stimmt ...

Clark: Deutschland sollte die nächste Resolution unterstützen. Es hat seine Meinung ausreichend kundgetan. Ich kann dieses Verhalten gut verstehen. Aber an diesem Punkt gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man setzt die Resolution 1441 mit der ganzen Macht der UN durch oder man schenkt Saddam einen Sieg und schwächt die UN.

WamS: Sie sagten, Saddam Hussein haben die Resolution verletzt. Braucht es da überhaupt noch eine weitere Resolution?

Clark: Die USA und ihre Partner brauchen keine neue Resolution, um gegen den Irak vorzugehen, aber sie würde die UNO stärken.

WamS: Wann kann der Krieg aus militärischer Sicht beginnen?

Clark: Jederzeit.

WamS: Wie wird er verlaufen?

Clark: Ein paar Tage Kampf, und Saddam Husseins Truppen werden zusammenbrechen.

WamS: Und sich dann gegen ihn selbst richten?

Clark: Das weiß ich nicht.. Aber ohne den Irak ist Saddam ein irrelevanter Ex-Diktator. Er wird ein kurzes Leben haben, auch wenn er aus dem Irak entkommt.

WamS: Was passiert, wenn der Krieg nicht schnell zu Ende ist?

Clark: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er in kurzer Zeit vorbei ist.

WamS: Wann wird er starten?

Clark: Das hängt von der Diplomatie ab.

WamS: Man wird also den Bericht von Chefinspektor Hans Blix am nächsten Freitag abwarten ...

Clark: Ja. Dann wird die Entscheidung fallen.

WamS: Haben denn die USA ihre Entscheidung für den Krieg gegen den Irak schon getroffen?

Clark: Die Entscheidung, das Thema Irak in Richtung Krieg zu lenken, wurde von der Bush-Regierung vor langer Zeit getroffen.

WamS: Wann?

Clark: Ich bin nicht Mitglied der Regierung, aber ich glaube, es war Ende 2001.

WamS: Noch vor ein paar Monaten waren Sie gegen einen Krieg gegen den Irak. Was hat Ihren Meinungsumschwung bewirkt?

Clark: Ich bin noch immer dagegen. Die Entscheidung für den Krieg ist das geringere von zwei Übeln.

WamS: Viele Menschen in den USA und in Europa haben Sorge, dass die USA nicht lange genug im Irak bleiben, um ihn zu stabilisieren.

Clark: Ich glaube schon, dass sie für längere Zeit bleiben werden.

WamS: Was wird nach Saddam Hussein kommen?

Clark: Eine massive Präsenz der Amerikaner in der Region.

WamS: Und im Irak. Wird es eine Militärregierung geben?

Clark: Ja.

WamS: Sehen Sie weitere Ziele in der Region?

Clark: Ich glaube, dass Syrien das nächste Ziel sein wird. Schon innerhalb von zwölf Monaten.

WamS: Obwohl im nächsten Jahr in den USA Präsidentschaftswahlen anstehen?

Clark: Die Aktion muss zu Ende sein, bevor die Wahlsaison startet, oder sie muss verschoben werden auf die Zeit danach.

WamS: Kommt dann vielleicht auch noch ein weiterer Staat der so genannten „Achse des Bösen“ an die Reihe, der Iran?

Clark: Ja, der kommt nach Syrien.

WamS: Das hört sich an, als würde sich die Regierung Bush durch die komplette Liste der „failed states“ arbeiten, mit einer Pause für die Wahlen .

Clark: Das ist mein Eindruck.


Das Interview führte Waltraud Kaserer.
Artikel erschienen am 9. Feb 2003 (aus Welt am Sonntag)

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